Zum Hauptinhalt springen Zur Suche springen Zur Hauptnavigation springen
  • CO2 NEUTRALER VERSAND
  • VERSANDKOSTENFREI AB 59€
  • LIEFERUNG IN 2-4 WERKTAGEN

Überlebenskampf um die Rezepte

Lesezeit: 5 Minuten

Satire von Tamara Seidenglanz

Rezepte über Rezepte - jeder Konditor hat seine eigene Schatzkiste voller Raritäten an Rezepturen. Der

einmalige Schatz, gesammelt über Jahre durch Wanderschaft in der Jugend. Jeder sammelt für sich sein

eigenes Portfolio - Austausch unter Kollegen bleibt eine eher verpönte Seltenheit. Rezeptraritäten werden den

nicht achtsamen Mitstreitern heimlich genommen, sorgfältig ins eigene Rezeptalbum abgelegt, verfeinert und

unter Verschluss für Dritte gehalten.


Einzelgänger oder Herdentier

Der Konditor ist Einzelgänger und Einzelkämpfer. Er sitzt alleine in der kleinen Nussschale Mitten im Meer. So

schippert er langsam umher, mit dem Ziel auf den ganz großen Schatz. Jede kleinste Erschütterung könnte

ihn von seinem Kurs abbringen. Aber dieses Risiko nimmt er in Kauf, um anderen den Weg abzuschlagen,

sich den erhofften Gewinn nicht teilen zu müssen. Warum sich so wenige kreative Menschen

zusammenschließen oder austauschen liegt wohl eher daran, dass eine harmonische Gemeinschaft sehr viel

voraussetzt. Laut Besteller-Buchautor Dale Carnegie ist der Umgang mit Menschen wahrscheinlich das

heikelste Problem, das wir zu lösen haben. Vielen von uns mangelt es ganz einfach an Einfühlungsvermögen

und Verständnis für die anderen. Haben wir aber die Quintessenz von dem Gesetz der Resonanz verstanden,

so können wir gemeinsam noch größere Ziele verwirklichen.


Das Ego-Tier Konditor

Das Ego-Tier Konditor ist eine Spezies besonderer Gattung. Jeder möchte der Beste sein. Jeder möchte die

winzige Konditorenwelt neu erfinden und seinen eigenen Schliff hineinbringen. Das wir dabei nur von anderen

kopieren und vermeindlich „Neues“ schon immer da gewesen ist, ist den wenigsten bewusst. Viele nehmen

auf Ihren Weg zur Einzigartigkeit keine Rücksicht auf Verluste anderer Kollegen. Bei keiner anderen

Berufsgruppe ist der innerliche Drang zur Individualität und das Bedürfnis nach Anerkennung so tief verankert.

Laut US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow steht die Selbstverwirklichung an der Spitze der

menschlichen Bedürfnispyramide. Erst wenn alle andern Defizitbedürfnisse wie Essen, Schlafen, ein festes

Einkommen, soziale Bedürfnisse wie Partnerschaft und Freundschaft ausreichend befriedigt sind kann sich ein

Mensch seinen Individualbedürfnissen in Form von Geltung und Anerkennung widmen. Betrachtet man die

Maslowsche Pyramide, so handelt es sich bei den meisten Konditoren um positive Wachstumsbedürfnisse, die

richtig eingesetzt unglaubliche Ergebnisse freisetzen können.

Doch meist werden diese nicht für beifällige Handlungen genutzt. Jeder möchte der Kreativste, der

Effizienteste, ein Unikat sein. Doch die Kehrseite daran ist, dass wir alles dafür tun, das dies niemand anderes

erreicht. Wir sind wie Krebse in einer Schale, die ihre Artgenossen bei nahezu geglückten Fliehversuch wieder

zurück in die Schale ziehen. Der Egoistische Konditor gönnt niemanden sein vermeintliches „Erfolgsziel“,während er mit Ellenbogen seinen eigenen Weg freimacht. Aber dabei wird das wohl wichtigste Lebensgesetz

„Geben und nehmen“ vergessen. Nur wer auch gibt, kann auch schadenfrei und guten Gewissens von

anderen nehmen. Das an erster Stelle nicht „nehmen“ sondern „geben“ steht, wird dann wohl auch oft

übersehen.


Die süße Gemeinschaft

Gemeinschaftlich als Team mit einem Ziel wäre dann wohl eher die Lösung. Zusammen kann man mehr

bewirken und das auch noch viel schneller und einfacher. Rezepte austauschen, Tipps zur

Unternehmensführung veröffentlichen, Zahlen publizieren, Plattformen erstellen, Mitarbeiter fördern,

Fachexkursionen organisieren, und vieles mehr wären die ersten Schritte eines gemeinschaftlichen

Interagierens. Doch die Schattenseite der Medaille sind schwierige Kompromisse und ein geteilter kleiner

Gewinn. Doch müssen wir auf lange Sicht nicht alle diesen Weg gehen? Sollten wir nicht zusammenhalten,

anstatt dass jeder einzeln den Bach hinunter geht? Konditoreibetriebe schließen im Akkord und eine

Neugründung wird bewusst zum Gunsten der Industrie zunehmend schwieriger. Wir müssen jetzt endlich

aufwachen und unser egoistisches Dasein stoppen! Einmalige Rezepte werden uns in der heutigen Zeit nicht

den Hals retten, denn die Industrie liegt dem schon weit voraus. Nur als süße Gemeinschaft der Konditoren

können wir noch etwas bewirken. Viele andere Berufsgruppen machen es schon lange vor, jetzt sind wir dran.

Gemeinschaftlich statt feindselig!